Hans Ledermann ist ein Künstler hinter den Kulissen der Basler Fasnacht. Seine Larven werden an den «drey scheenschte Dääg» zu hunderten getragen. Seit einem Jahr ist aber alles anders. Das Atelier Bajass droht für immer zu verschwinden.
Von David Frische (Text und Bilder)
Hans sitzt mit seinen Angestellten Miriam und Martin am Tisch. Auf dem Regal steht ein Fernseher. Gebannt schauen die Drei auf den Bildschirm und verfolgen eine Pressekonferenz. «Die Fasnacht kann leider nicht stattfinden. Wir müssen sämtliche organisierten Fasnachts-Veranstaltungen untersagen», tönt es aus den Lautsprechern. Wie versteinert starren Hans, Miriam und Martin den Fernseher an. «Sie dürfen mir glauben, meine Damen und Herren, dies fällt uns nicht leicht», führt der Basler Gesundheitsdirektor aus. Die Basler Fasnacht, abgesagt. Miriam und Hans laufen Tränen über die Wangen. Martin leidet ebenso. Es ist der 28. Februar 2020, weniger als 72 Stunden vor dem geplanten Beginn der Fasnacht. Hans holt eine Flasche Schnaps aus dem Regal und schenkt drei Gläser ein.
Dezember 2020. Der Deckel der metallenen Geldkassette klappt zu. «Vielen Dank und bis zum nächsten Mal.» «Piep, piiep, piiiiiep – piep, piiep, piiiiiep!». Schon der nächste Kunde. Ein älterer, elegant gekleideter Herr tritt ein. «Sali Hans! Hast du noch?», fragt er. «Du hast Glück! Noch habe ich einige. Wie viele brauchst du?» Fünf Stück. Hans Ledermann öffnet einen durchsichtigen Plastikbeutel und schüttelt kupferne Scheiblein heraus. «Dann wären das 50 Franken». Der Deckel der Geldkassette quietscht. «Hier noch etwas zum Kaffee», sagt der Kunde und lässt ein knisterndes Tütchen gefüllt mit Weihnachtskeksen und Schokolade da.
Hans trägt einen weissen Reissverschluss-Pullover, eine alte Jeans und einfache Winterstieflein. Der 72-jährige Mann setzt sich an den Tisch gleich neben der Ladentheke und zieht seine weisse Stoffmaske mit vielen aufgedruckten Baslerstäblein aus. Hans fährt mit der Hand durch sein lichtes, graues Haar und erzählt. «Es war ein Schock.»
Ein bombensicheres Geschäft?
Hans ist professioneller Larvenmacher. Hunderte Basler Fasnächtler stattet er jedes Jahr mit neuen Larven und Kostümen aus, die dann an der Fasnacht durch die Strassen und Gassen getragen und tausenden Menschen präsentiert werden. Im Untergeschoss der Liegenschaft am Bläsiring im Stadtteil Kleinbasel befindet sich ein Atelier. Dort fertigen Hans, Miriam und Martin die Larven von der Idee des Kunden bis zur greifbaren, an die Wünsche und die Kopfform angepasste Maske. Alles in Handarbeit. Im Erdgeschoss betreibt Hans einen Fasnachtsladen. Von Stoffen, über Perücken und allerlei Accessoires für Kostüme bis hin zu Fertigkostümen und Scherzartikeln hat Hans hier alles im Angebot.



Seit 42 Jahren führt er das «Atelier Bajass». Sein Motto: «Blutt iine, iikleidet uuse!» Normalerweise sind die Produktion von Larven und der Verkauf von Fasnachtsartikeln ein bombensicheres Geschäft. Die Basler Fasnacht wurde im Jahr 2017 von der Unesco in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit erhoben. In der Stadt geniesst sie praktisch Heiligenstatus. Eine Absage? Für die meisten Basler undenkbar. Bis vor zehn Monaten. Bis zu diesem 28. Februar.
«Piep, piiep, piiiiiep – piep, piiep, piiiiiep!». Die Ladentür öffnet sich wieder. Vorbei an Regalen voller Hüte, Brillen, Socken, Haarreifen und Plastiktieren kommt eine Frau mit zwei kleinen Kindern in den hinteren Teil des Ladens. Der Junge und das Mädchen möchten eine eigene Larve bestellen. Hans zeigt ihnen eine Wand voll mit rohen Exemplaren vorgefertigter Larven. Fürs zugehörige Kostüm hat Hans für die Mutter einen Tipp: «Also ich empfehle immer: Kein Overall, lieber einen Kittel und eine Hose», rät Hans. «Sie wissen schon, wenn mal mal auf Toilette muss …» Beide lachen.


Die Absage der Fasnacht bedeutet für das Atelier Bajass, dass nahezu alle Fasnächtler ihre Larven und Kostüme für die kommenden «drey scheenschte Dääg» aufsparen. Die Schnooggekerzli-Clique hat für ihre Junge Garde rund 75 Larven bestellt, auch als Zeichen der Solidarität mit dem Larvenmacher. «Normalerweise», erklärt Hans, «wäre zu dieser Jahreszeit, an einem 19. Dezember, hier die Hölle los». Normalerweise stünde jetzt die Fasnacht 2021 vor der Tür. Dutzende Aufträge würden zum Abschluss gebracht. Doch wenig überraschend wurde auch die Fasnacht 2021 so gut wie abgesagt. Zu angespannt ist hierzulande die epidemiologische Lage rund um das Coronavirus. Das zuständige Basler Fasnachts-Comité will den erneuten kompletten Ausfall mit einem minimalen Ersatzprogramm verhindern. Allzu viel ist rund zwei Monate vor dem offiziellen Fasnachtstermin noch nicht bekannt. Klar ist aber: Kein Cortège, keine Guggenkonzerte. Neue Larven und Kostüme braucht es keine.
Zwei Jahre kein Einkommen
Die Absage der Fasnacht 2020 und die Quasi-Absage das Jahr darauf sind historische Entscheide. Vor genau 100 Jahren, anno 1920, fiel die Fasnacht wegen der Spanischen Grippe am geplanten Termin aus, konnte dann einen Monat später aber nachgeholt werden. Eine komplette Absage der «drey scheenschte Dääg» hat es in der Geschichte der Basler Fasnacht noch nie gegeben. Für die Basler Bevölkerung eine grosse Herausforderung. Gesellschaftlich. Emotional. Politisch. Und für das Fasnachtsgewerbe auch finanziell. «Weil 2021 auch keine richtige Fasnacht stattfindet, muss ich nochmal ein Jahr nahezu ohne Aufträge auskommen», sagt Hans. 95 Prozent seines Umsatzes verdiene er mit der Basler Fasnacht. Ausser dem Auftrag der Schnooggekerzli und ein paar wenigen Larven-Korrekturen hat er seit Ende Februar keine Arbeit.
Hans ist ein Mann von kleiner, drahtiger Statur. Mit seiner etwas knolligen Nase und den grossen, abstehenden Ohren erinnert er an einen Kobold. Sein graues, leichtaufstehendes Haar hat der 72-jährige Basler nach hinten gekämmt. Hans wendet sich einer kleinen Maschine neben der Ladentheke zu und stopft mit einem kurzen Surren eine Zigarette. Winston rot. Der Rauch schwängert die Luft und bindet sich allmählich mit dem Dunst im Raum. Ein holzig-nussiger Geschmack entsteht. So eine Situation wie diese Krise habe er noch nie erlebt, sagt Hans. «Ich kann erst für die Fasnacht 2023 wieder mit Aufträgen rechnen.» Er bläst Zigarettenrauch aus. Achselzucken.
Das ganze Jahr Fasnacht
Wenn man sich in Hans’ Büro umschaut, man käme nicht auf die Idee, dass im Frühjahr keine Fasnacht stattfindet.

Beim Blick an die Decke erschrickt man. «Den hab ich mal für einen Tambourmajor gemacht. Ein riesen Aufwand!», so Hans.

Einer der wenigen Hinweise auf die momentane Krise sind mehrere Ordner voll mit geheftetem Papierkram, die durcheinander am Boden liegen.

An der anderen Wand steht eine alte, verstaubte Jukebox. Sie läuft nicht. In Hans’ Laden herrscht ein anderer Soundtrack: das wiederholende Klingeln der Türglocke und Hans’ Gespräche mit den Kunden.
«Atelier Bajass, Hans?», ruft er. Für einmal klingelte das Telefon. Es geht um die kupfernen Scheiblein, die Hans verkauft: Plaketten, die sein Verein «Fasnachtsmanufakturen beider Basel», dessen Präsident Hans ist, ins Leben gerufen hat. «Die letzten Stücke gehen jetzt gerade weg, danach hab ich keine mehr», sagt Hans ins Telefon. Er tigert im Büro herum.

Das erste Jahr ohne Fasnacht habe er finanziell noch einigermassen überbrücken können, sagt Hans. Aber jetzt gehe ihm das Geld aus. «Ich weiss nicht, was ich machen soll.»
Vom Anzug- zum Jeansträger
Mit dem Larvenhandwerk kam Hans vor über 40 Jahren gezwungenermassen in Berührung. «Wir von der Gugge konnten einmal unsere Larven nicht wie üblich in Auftrag geben, da unser Larvenmacher zu viele Aufträge hatte. Also sagten wir: ‹Komm, wir machen sie selbst!›» Man habe ein einfaches Atelier eingerichtet und losgelegt. Der gelernte Kaufmann Hans entdeckte so das Larvenmachen. Er attestiert sich ein gewisses handwerkliches Geschick, ein Talent fürs Zeichen und Malen habe er ebenfalls. «Während meiner Schulzeit besuchte ich am Mittwochnachmittag die freiwillige Zeichnungs-Elite. Dafür musste man empfohlen werden», betont er stolz. Die spontane Larven-Aktion in der Gugge wurde für Hans’ Leben zum Wendepunkt. Er begann Ende der Siebzigerjahre allmählich, sein eigenes Atelier aufzubauen. Erst in Teilzeit, dann kündigte er seine Stelle bei der Bank ganz und wurde unabhängig. Ein Wandel vom Anzug- zum Jeansträger? «Ja, so kann man sagen», nickt Hans und schmunzelt. Und jetzt, über 40 Jahre später in dieser schweren Corona-Krise, muss er sich fragen, wie es weiter geht.
Ein Hilferuf an die Öffentlichkeit
Es ist der 23. Dezember kurz vor 14 Uhr. Er müsse jetzt dann gleich den Laden öffnen, sagt Hans und steht von seinem hölzernen Stuhl auf. Plötzlich platzt es aus ihm heraus: «Nei, do hani eifach Mieh! Die Basler Fasnacht ist Unesco-Weltkulturerbe und wir zählen ‹gopferdelli› nicht als Kulturschaffende, der Waggis auf dem Wagen am Cortège aber schon?!». Hans ist wütend. Er und seine Larvenmacher-Kollegen fühlen sich zwischen Stuhl und Bank gedrängt. Aktive Fasnächtler wie zum Beispiel Waggis können in der jetzigen Krise vom Kanton eine Ausfallentschädigung beantragen. So hat es die Konferenz der kantonalen Kulturbeauftragten und das Bundesamt für Kultur entschieden. Die stillen Schaffer im Hintergrund sind von der Ausfallentschädigung ausgenommen.
Den Larvenmachern kam im Oktober die Idee der Solidaritäts-Plakette, irgendwie müssten sie sich ja Gehör verschaffen. Es ist ein Hilferuf an die Öffentlichkeit.
Der Hilferuf wird gehört. Die neun Larvenmacher verkaufen innert weniger Tage 10’000 Kupfer-Plaketten, die Produktion wird verdoppelt. In diesen Dezembertagen gehen bei Hans nun auch die letzten Plaketten der zweiten Tranche über den Ladentisch. Es sei schön, diese Solidarität zu spüren. Auch wenn es letztlich «ein Tropfen auf den heissen Stein» ist. Drei bis vier Monatsmieten könne er vom Erlös bezahlen. Aber die Plakette ist für Hans mehr wert als das. Der Verkauf lockt auch in der Krise Kunden in sein Atelier. Menschen, die Hans dringend braucht. Der 72-Jährige ist ein geselliger Typ, er plaudert fürs Leben gern.
Mit der Solidaritäts-Plakette gehen die Larvenmacher einen eigenen, inoffiziellen Weg. Das Basler Fasnachts-Comité gibt traditionell eine offizielle Plakette heraus. Das Motiv der Plakette bildet das jeweilige Motto der Fasnacht ab. Auch im Jahr 2021 ohne richtige Fasnacht wird das Comité eine Plakette verkaufen. Und das nicht ohne böses Blut. Denn zwischen Comité und Larvenmacher ist ein Zwist entbrannt. Es herrscht gegenseitiges Unverständnis für die jeweilige Plakette. Die Larvenmacher fühlen sich vom Comité ausgeschlossen, da sie laut eigenen Aussagen vom Gewinn des Plakettenverkaufs praktisch nichts erhalten. Das Comité wiederum fühlt sich durch den Verkauf der Soli-Plakette konkurrenziert. Im Interview erklärt die Comité-Obfrau Pia Inderbitzin, warum:
Künstler und Chaot in einem
Hans führt aus dem Büro vorbei an der Wand voller weisser Rohlarven durch eine Tür.

Es geht die Treppe hinunter ins Larvenatelier. Um diese Jahreszeit geht’s hier eigentlich drunter und drüber. Tonklötze werden zu groben Köpfen geformt, aus denen dann Larven entstehen, die schliesslich pünktlich für die Fasnächtler abholbereit sind. Diesen Dezember ist es hier ruhig. Nur Musik tönt aus zwei Boxen. «Nothing Else Matters» von Metallica.


Im hinteren Teil des Ateliers ist ein grosser Raum. In dessen Mitte sind zwei grosse Tische, auf denen runde Formen bereit stehen.
Das ist das Reich von Hans’ Mitarbeiterin Miriam. Die 38-jährige Frau im grauen T-Shirt voller Leimkleckse packt eine der ausgehölten Gipsformen auf dem Tisch. Sie und ihr Kollege Martin zeigen, wie daraus eine Larve gemacht wird:
Plötzlich kommt Hans angestürmt. «Miriam, hast du die Güpfi gesehen?». Sie schüttelt achselzuckend den Kopf. «Gopferdelli!», flucht er und rauscht suchend zwischen den Regalen umher. Der fröhliche Kobold mutierte soeben zu Rumpelstilzchen. «Er ist ein Chaot, vergisst sehr viel», erklärt Miriam und muss lachen. Ordnung sei auch nicht sein Ding. Im «Buff» finde Hans die Dinge am besten. «Die Güpfi hat er an jemanden ausgeliehen, er weiss aber nicht mehr, an wen.» Hans beruhige sich aber jeweils schnell wieder. «Und Aufträge vergisst er nie», betont sie. Für Miriam ist Hans mehr als ein Chef, er ist auch ein Freund. «Hans gibt dir sein letztes Hemd.»
Hans nimmt eine der fertigen Larven. Er sitzt auf einem breiten Sessel in der Malerecke des Ateliers. Der Meister hat sich wieder beruhigt, auch wenn die Frage mit den Güpfi immer noch nicht geklärt ist. Sachte und gelassen schwingt er den Pinsel aus dem Handgelenk heraus. Hans ist in diesem Moment nicht mehr wiederzuerkennen. Er ist spürbar in seinem Element.
Eine professionelle Kunstausbildung machte Hans nie. Nach der Schulzeit mit Zeichnungs-Elite legte er Stift und Pinsel beiseite und widmete sich der Musik, wie er erzählt.
Er spielte Trompete in einer Guggenmusik, gründete später die «Grachsymphoniker» in Basel und als ihm die zeitaufwendigen Proben zu stressig wurden, schloss er sich im Alter von 48 Jahren mit ein paar Freunden zur «Oldies»-Gugge zusammen. Dort gehe man alles etwas ruhiger und spontaner an. In dieser Gugge macht Hans heute noch Fasnacht. Mit dem Beginn der Larvenmacherei rückte sein Flair fürs Malen aber wieder in den Vordergrund. Und mit der Kreativität kam dann die Übung. «So etwas kannst du nicht lernen, das hat man einfach – oder man hat es nicht», erklärt er.
Fast schon sinnbildlich für die aktuelle Krise voller Ungewissheit versieht Hans die Larve am Ende mit einem fingergrossen, feinen Fragezeichen neben der linken Wange. Sein Markenzeichen. «Fertig!»

Die Corona-Pandemie ist die schwerste Krise in Hans’ beruflicher Laufbahn. Auch mit 72 arbeitet er noch voller Freude im Atelier. Er verdient damit aber auch weiterhin den Lebensunterhalt für sich und seine Frau. Ein zweites Standbein habe er nicht. Sein Optimismus drückt wieder durch. Die Zuversicht, dass es schon gut kommt. Ein gewisses Vertrauen in die Sache. Und natürlich die Hoffnung, dass die Fasnacht 2022 wieder stattfinden kann. An dieser Hoffnung hält er sich fest.
Unerwartete Hoffnung auf Rettung
Ganz vergessen haben die Behörden die stillen Schaffer nicht. Der Basler SVP-Grossrat Roger Stalder hat im Parlament eine Motion eingereicht. Er will versuchen, auch für die Fasnachtsbetriebe eine Lösung auf den Tisch zu bringen. Mit Erfolg: Der Grosse Rat hat das Anliegen ohne Diskussion direkt an die Regierung überwiesen. Wieso sich Stalder für die Larvenmacher und andere Fasnachtsbetriebe einsetzt, erklärt er im Video:
Hans’ Freude und Erleichterung über den Entscheid ist riesig. Mit leuchtenden Augen fragt er einen seiner Kunden: «Hast du gesehen? Die Motion wurde ohne Gegenstimme an die Regierung überwiesen!». Stolz schwingt mit. Der Stolz, doch noch wertgeschätzt zu werden in der Öffentlichkeit. Der Stolz, dass sein Beruf von lokaler Bedeutung ist.
Der Kunde, ein Mann um die 50 aus Solothurn, ist wegen eines Schottenkostüms im Atelier Bajass. Hans hat es für ihn im Ausland ab Fliessband bestellt. Er macht ihm Vorschläge, wie er aus dem Billigkostüm mehr herausholen könnte. Seine Kreativität zeichne ihn aus, sagen Kunden über den Larvenmacher. «Er hat immer viele Ideen und setzt das gewünschte Sujetkreativ um», schwärmt Yvonne Drixl. Sie bezieht seit 25 Jahren Larven und Kostüme für ihre Wagenclique beim Atelier Bajass. Hans betont selbst, dass ihm die künstlerische Freiheit bei der Umsetzung der Kundenwünsche wichtig sei. Da kann es aber auch mal vorkommen, dass dem Kunden die Umsetzung des gewünschten Sujets nicht passt. Und dann? «Dann überarbeitet er es», erklärt Drixl. Hans sei kritikfähig und er nehme sich für alle Kunden gleich viel Zeit.
Die Pandemie ist nicht der grösste Gegner
Die Ideen für einen gelungenen Schottenauftritt sind gesammelt, der Kunde verlässt den Laden. «Piep, piiep, piiiiiep – piep, piiep, piiiiiep!». Die Tür fällt ins Schloss.
Hans setzt sich vor seinen Laptop und seufzt zufrieden. «Weisst du, was das Schöne an diesem Beruf ist?», fragt er. «Du kannst nicht alt werden. Denn du hast immer alle Generationen im Laden.» Er lächelt. Und trotz seiner Gelassenheit und seinem Realismus, den er immer wieder betont, löst die Corona-Krise in ihm auch Gedanken in eine andere Richtung aus. Darüber, wie die Zukunft seines Ateliers aussieht. Was geschieht, wenn er eines Tages nicht mehr arbeiten kann? «Entweder finde ich einen Käufer, der das alles hier übernehmen will – oder ich mache dann hier zu», antwortet Hans mit gleichgültiger Stimme. Er blickt auf den Fernseher oben links auf dem Regal. Ein Skirennen läuft.
Hans wirkt nachdenklich. Sein Wille, alles möglichst realistisch und sachlich zu sehen, ist nachvollziehbar. Hans ist über 70, er hat keine Kinder. Die Zukunft des Ateliers um jeden Preis sichern? Warum? Hans’ grösster Gegner ist nicht die Corona-Pandemie. Das Alter ist es, die Uhr des Lebens. Und wie Grossrat Stalder sagt: Jedes Atelier ist einzigartig. Hans’ Larvenkunst wird früher oder später aus den Basler Fasnachtsgassen verschwinden, Corona hin oder her, Nachfolgelösung hin oder her. Es ist ein Gesetz der Fasnacht: So einzigartig die «drey scheenschte Dääg» mit ihren individuellen Kostümen und Larven sind, so einzigartig sind auch deren Schöpfer. Umso trauriger ist die aktuelle Zeit. Für die Basler Fasnächtler sind es zwei verlorene Jahre. Und die Kunst eines Larvenmachers währt nicht ewig.
